Tattoo-Serie Teil 2: Die Psychologie des Stechens: Warum lassen sich Menschen tätowieren?

Außerdem: Experten verraten, was Tattoos über den Charakter verraten

Von: Von ANTJE RAUPACH

„Man hat früher als hart gegolten, wenn man tätowiert war, da war man bei den Harten dabei. Als ich jung war, 16 war ich damals, wollte ich da auch dazugehören, deswegen habe ich mir auch eine Tätowierung machen lassen. Meine Freunde im Gefängnis hatten auch alle Tätowierungen. Damals waren die Tätowierungen noch ein Zeichen der Unterwelt und ich wollte auch ein Unterweltler sein.“ (Herr S., 51 Jahre, Auszug aus „Fürs Leben gezeichnet – Gefängnistätowierungen und ihre Träger“ von Klaus Pichler, Fotohof Edition)

Es ist wieder Sommer und schon wieder sieht man überall Tattoos auf nackter Haut. Was man schon seit einigen Jahren vermutet hat, scheint nun endgültig gewiss: Das Tattoo ist im Mainstream angekommen. Doch was bringt Menschen dazu, sich ein Motiv für die Ewigkeit auf die Haut stechen zu lassen?

Im zweiten Teil der BILD-Tattoo-Serie erklären Psychologen, was hinter der Lust am Stechen steckt.

Handelt es sich um eine Art modernen Narzissmus oder steckt dahinter gar eine Form der Autoaggression? Psychologe Prof. Alfred Gebert zu BILD: „Umfragen haben ergeben, dass Menschen sich vor allem deshalb tätowieren lassen, um damit ihre Individualität und Einzigartigkeit zum Ausdruck zu bringen. Auch Identitätsfindung und eine 'sanfte' Form der Rebellion spielen eine Rolle – gerade bei jungen Leuten“, sagt der Experte. „Die Tätowierung wird dabei als besonderes Schmuckstück wahrgenommen bzw. betrachtet. Als eine Möglichkeit die eigene Attraktivität zu erhöhen“, ergänzt Diplom-Psychologin Svenja Lüthge aus Kiel.

Süchtig nach der Tattoo-Nadel

Der Schmerz beim Tätowieren ist dabei Teil des Rituals, schließlich könnte man auch unter Betäubung arbeiten, aber das gilt als verpönt. Es gibt Menschen, die sich nach dem ersten Tattoo gleich das nächste stechen lassen – die gar nicht mehr aufhören können. Warum? Dahinter kann laut Psychologen tatsächlich ein Drang nach Selbstverletzung stecken bzw. der Wunsch, mit diesem besonderen Schmuck körperliche Makel auszugleichen. Body-Modification nennen Anhänger diese extreme Form der Körperveränderung mithilfe von Tätowierungen. Aber auch Piercings, unter die Haut implantierte Metallringe oder Brandings zählen dazu.

„Letztlich kommt es darauf an, mit welcher Motivation eine Person ihr Aussehen durch diese Art und Weise verändert“, meint die Psychologin. „Wenn sich jemand tätowieren lässt, um seinen seelischen Zustand zu verbessern, dann ist das auf jeden Fall ein Alarmzeichen“, sagt Psychologin Lüthge.

„Aber es kann auch der Ausdruck einer großen Wertschätzung sein. Zum Beispiel, wenn sich Eltern die Namen ihrer Kinder auf den Körper stechen lassen“, erklärt die Psychologin.

Tätowierungen als Stigma?

„Einmal habe ich bei den Bundesgärten eine Stelle bekommen. Am ersten Tag habe ich keine eineinhalb Stunden gearbeitet, da hat es geheißen, ich soll zum Personalchef kommen. Ich habe mir gedacht, der braucht irgendwelche Arbeitspapiere, aber der hat mir gesagt: 'Nein, tut mir leid, mit ihren Tätowierungen können wir sie nicht behalten. Da gehen die Touristen vorbei und denken sich, wir haben eine Sträflingskolonie, die hier arbeitet.' Ich habe ihn dann gefragt, was ich machen soll, ob ich langärmelig arbeiten soll. Er hat gesagt, dass es ihm leid tut, aber es geht nicht anders. Das war schon extrem. Scheinbar war das wirklich so etwas Abartiges für den, dass der mich einfach nicht weiterarbeiten lassen hat.“ (Herr H., 43 Jahre aus „Fürs Leben gezeichnet“)

„Verschiedene Studien belegen, dass tätowierte Menschen häufig sehr selbstbewusst sind, experimentierfreudiger und insgesamt risikobereiter“, so Prof. Gebert. „Vorsicht! Wenn sich jemand mit dem Gedanken trägt, sich eine Tätowierung stechen zu lassen, sollte er sich darüber im Klaren sein, dass diese Form des Körperschmucks noch immer polarisiert. So werden Tätowierte immer noch mit dem einem unsteten Lebensstil assoziiert, außerdem werden sie – entgegen den Erwartungen der Tätowierten – als sexuell weniger attraktiv wahrgenommen“, so Psychologe Gebert.

Das Motiv als Code

„Die drei Punkte oder die Träne, das waren sichere Kennzeichen. Wenn man in eine andere Stadt gefahren ist und jemanden mit diesen Symbolen gesehen hat, dann hat man gleich gewusst, wo der her ist. Da ist man dann hin zu dem und hat ihn gefragt, wo hier etwas geht und wo man hier etwas machen kann.“ (Herr E., 57 Jahre aus „Fürs Leben gezeichnet“)

Auch in der heutigen Zeit geben Tattoos noch immer sehr viel über den Träger bzw. die Trägerin preis, dienen als Code. Die drei Punkte zwischen Daumen und Zeigefinger oder das Tränen-Tattoo beispielsweise sind unter Gefängnisinsassen noch immer sehr beliebt. Außerdem fanden US-Wissenschaftler heraus, dass Bilder von Spinnweben und Gittern häufiger bei Häftlingen vertreten sind.

Doch nicht nur typische 'Knastmotive' geben Hinweise auf das Leben. Prof. Alfred Gebert ordnet vielen gängigen Motiven bestimmte Charaktereigenschaften zu. Der Wissenschaftler führte unter Hunderten von (tätowierten) Studenten Umfragen durch und konnte so folgende gängige Motive bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zuordnen.

Lesen Sie, was typische Tattoo-Symbole auf der Haut laut Prof. Alfred Gebert verraten.

► Tiere

Dieses Tattoo lässt auf einen starken Charakter schließen – hier hat man es mit einem Kämpfer zu tun, der gerne im Mittelpunkt steht und zeigt, was er hat – auch sein imposantes Tattoo, das sich meistens an einer gut sichtbaren Körperstelle befindet, wie zum Beispiel auf dem Oberarm, dem Unterschenkel oder im Nacken. Überraschenderweise hat man es hier häufig mit Menschen zu tun, die eine sehr ausgeprägte soziale Ader haben. Wenn andere in Not sind, dann ist der Mann/die Frau mit Tiger, Löwe oder Panther auf dem Arm zur Stelle – ein treuer Freund und Partner.

Comic-Motive

Dahinter verbergen sich Menschen, die ihrem Leben mit sehr viel Leidenschaft begegnen. Sie sind sehr begeisterungsfähig und leben nach dem Lustprinzip. Sich verbiegen, um es anderen recht zu machen? Das ist bei diesen Zeitgenossen nicht drin. Das macht sie zwar einerseits sympathisch – andererseits sind sie dadurch auch nicht ganz einfach, denn Kompromissbereitschaft gehört nicht zu ihren großen Stärken.

Asiatische Schriftzeichen (Drachen, Zeichen)

Die Träger dieser Tattoos sind tolerant und weltoffen. Sie tragen ihr Motiv oft als Glücksbringer oder drücken damit eine tiefe Verbundenheit zu einem anderen Menschen aus (der häufig das gleiche Zeichen trägt). Leider quälen sich diese Motiv-Träger häufig mit Selbstzweifeln, sind ein wenig unsicher und hadern mit dem Schicksal. Sie brauchen daher viel Zuspruch aus der Familie und dem Freundeskreis. Das geben sie übrigens auch gerne zurück. Wer einen solchen Freund hat, der findet immer eine starke Schulter zum Anlehnen.

Porträts von Prominenten, Partnern oder Familienmitgliedern

Diese Menschen glauben an die Liebe fürs Leben. Und für ihre große Liebe tun sie alles. Sie sind ziemlich eifersüchtig und besitzergreifend. Wehe, wenn sie enttäuscht werden – dann fahren sie ihre Krallen aus. Vor allem die Frauen unter diesen Motiv-Trägern lieben das große Drama. Eine Beziehung mit ihnen wird demnach garantiert nicht langweilig – eher anstrengend. Die Porträts-Fans sind absolute Gefühlsmenschen, die entsprechend auf ihre Intuition hören und für die das Wort Treue noch eine Bedeutung hat.

Zitate und Statements

Hier hat man es mit geradlinigen Zeitgenossen zu tun, die sich niemals verbiegen lassen. Entsprechend tragen sie ihre Überzeugungen – oftmals für alle sichtbar – auf ihrer Haut in Form von berühmten Zitaten, Bibelsprüchen oder politischen Statements. Versprechen, die sie geben oder die sie erhalten, werden ernst genommen. Das macht sie zu treuen Seelen.

Blumen, Sterne, Herzchen

Vor allem Frauen lieben diese kindlich-naiven Motive. Dahinter verbergen sich kleine Romantikerinnen, die positiv und mit viel Optimismus durchs Leben gehen – und dabei niemals das Träumen verlernt haben. Das macht diese Menschen so charmant und liebenswert. Gegenüber ihrem Umfeld sind sie stets tolerant und loyal. Es gibt nur wenige Dinge, die sie aus der Ruhe bringen können – Unehrlichkeit gehört aber definitiv dazu. Wenn sie betrogen werden, bricht für sie eine Welt zusammen. Ihre Vertrauensseligkeit und Gutmütigkeit kann ihnen manchmal leider auch zum Verhängnis werden. Nämlich dann, wenn sie vom Umfeld ausgenutzt werden.

Seefahrer-Motive (Anker, nackte Frauen, Schiffe)

Hier hat man es häufig mit brummigen Zeitgenossen zu tun, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Sie haben keine Angst, bei ihrem Umfeld anzuecken – ganz im Gegenteil. Sie müssen nicht jedem Menschen gefallen. Take it or leave it (Nimm es oder lass' es) – so könnte ihr Credo lauten, ein Leben nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Daher verwundert es auch nicht, dass sie gerne provozieren und ihr Herz auf der Zunge tragen. Das ist nicht immer angenehm. Aber alles, was sie sagen, kommt aus einer tiefen Überzeugung. Bei ihnen weiß man immer, woran man ist.

Namen

Die Namensträger sind zuverlässig, praktisch und anpackend. Nicht reden, sondern machen – so könnte ihr Lebensmotto lauten. Sie sind recht pragmatisch, sehr vorausschauend, können Situationen hervorragend einschätzen. Verdrängen, Schönfärberei oder (falsche) Schmeicheleien sind nicht ihre Sache. Sie reden stets Klartext – auch wenn es unangenehm wird. Richtige Alpha-Männchen, die von ihrem Umfeld für ihr unerschöpfliches Selbstbewusstsein bewundert werden.

Diese Zeitgenossen halten nichts von falschen Schmeicheleien gegenüber ihren Mitmenschen. Auch Sophia Thomalla (s. Foto oben) gehört zu diesen ehrlichen Persönlichkeiten. Sie trägt den Namen ihres Partners – der Rammstein-Sänger Till Lindemann – im Nacken

Diese Zeitgenossen halten nichts von falschen Schmeicheleien gegenüber ihren Mitmenschen. Auch Sophia Thomalla (s. Foto oben) gehört zu diesen ehrlichen Persönlichkeiten. Sie trägt den Namen ihres Partners – der Rammstein-Sänger Till Lindemann – im Nacken

Foto: WENN

Fantasy-Motive (z. B. Einhorn, Elfen)

Diese Tattoo-Fans haben eine wunderbare Fantasie und stehen Mystischem sehr offen gegenüber. Sie lassen sich gerne vom Leben treiben, was ihnen allerdings oft – negativ – als Passivität ausgelegt wird. Die großen Macher – bzw. Karrieretypen – sind hinter den Fantasy-Tattoo-Fans nicht zu erwarten, aber das wollen sie auch gar nicht, denn Ruhm und Reichtum bedeuten ihnen nichts. Kurzum: Sie sind die Idealisten unter den Tattoo-Fans.

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